Die Kleinbahn:
Die Kleinbahn - Anfänge, Bau und Einweihung 22. Juni 1914
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ergab sich immer dringender der Wunsch nach verbesserten Verkehrsverhältnissen für das Weistritztal und die naheliegenden Eulengebirgsgebiete. Die Hauptstrecken Dittersbach - Glatz und Königszelt - Kamenz konnten bei weitem nicht die gestiegenen Verkehrsbedürfnisse befriedigen. Auch die Inbetriebnahme der Weistritztalbahn im Jahre 1904 konnte die Wünsche des wichtigen Industrieortes Wüstewaltersdorf, wo sich die große Textilfabrik Websky, Hartmann & Wiesen GmbH befand, nicht erfüllen. Bereits 1907 tauchte dank der Bemühungen des Kaufmanns Theodor Böer die Frage nach dem Bau einer Stichbahn wieder auf. Der Hauptverdienst um die Initiative gebührt dem Fabrikanten H. E. Wiesen, dem Regierungspräsidenten von Baumbach und seinem Nachfolger, dem Freiherm von Tschammer.
Im Jahre 1909 begann die Firma Alexander Rath (Breslau) mit der Projektierung der künftigen Bahnlinie von Hausdorf nach Wüstewaltersdorf. In den folgenden Jahren wurde das Projekt der Eisenbahndirektion Breslau zur Prüfung vorgelegt, und letztendlich konnte der Kreis Waldenburg durch eine ausführliche, von der Kommission zur Bahnprojektbearbeitung und den Gemeindevorstehern unterzeichnete Eingabe zur finanziellen Beteiligung an dem Unternehmen gewonnen werden.
Am 11. September 1912 wurde mit einem Aktienkapital von 573.000 Mark die Wüstewaltersdorfer Kleinbahn AG gegründet, an dem der Staat mit 143.000 und der Kreis Waldenburg mit 125.000 Mark beteiligt waren. Außerdem gewährte die Provinz der Gemeinde ein Darlehen in Höhe von 375.000 Mark unter günstigen Bedingungen. Das Staatsbahnhofsgelände in Hausdorf und die kurz dahinter befindliche Kreischaussee-Brücke wurden von der Eisenbahndirektion zur Einmündung der Kleinbahn freigegeben.
Auszug aus dem
(Handbuch der Deutschen Aktien-Gesellschaften,) Ausgabe 1944, mit dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr 1943 der Wüstewaltersdorfer Kleinbahn-AG
Ursprünglich bestand die Idee, die Bahnlinie auf der östlichen Seite des Tales entlang zu führen und durch den Park der Villa an der Fabrik enden zu lassen. Doch hier hatte Frau Wiesen interveniert: „Durch meinen Park fährt keine Bahn!“ Es gab dann allerdings weitere Gründe, die Strecke auf der gegenüberliegenden Seite des Hausdorf-Wüstewaltersdorfer Tales entlang zu führen: hier waren nämlich die Grunderwerbs- und auch die geologischen Verhältnisse günstiger als auf dem östlichen Talhang.
Im Allgemeinen traten im nördlichen Teil des Tales feste Biotitgneise in mehrfacher Wechsellagerung und im südlichen Teil Gneiskonglomerate der Kulmformation auf. Die Boden- und Felsbewegungen hatten einen Umfang von rund 40.000 m3. Zur Bauplanung gehörten noch drei große Wegüberführungen und die Verbreiterung der Eisenbahnbrücken bei Hausdorf.
Der Bau begann unter der Führung der "Kontinentalen Eisenbahnbau- und Betriebsgesellschaft" zu Berlin, die als Bauleiter den Ingenieur Todt entsandte. Die Bahn sollte elektrisch mit 1000 Volt betrieben werden, dies wurde so Schlesiens einzige mit 1000 Volt Gleichstrom elektrifizierte Kleinbahn.
Der erste Spatenstich am Bahnhof Wüstewaltersdorf erfolgte am 20. März 1913. | ||
Auf dem Foto zu sehen sind: Hans Carl Wiesen mit Spaten, rechts von ihm seine Ehefrau mit den Kindern Irmgard, Gretel und Ilse, links von ihm sein Sohn Karl Die Aufnahme wurde auf dem Bahngelände in Wüstewaltersdorf gemacht, in Hintergrund ist die „schwarze Hänge“ zu sehen, die später aus Platzgründen abgerissen wurde. |
||
Hier eine Aufnahme aus anderer Perspektive, der Bahnhof steht schon und die Gleise wurden schon verlegt. Das große Gebäude in der Bildmitte ist die „schwarze Hänge“, rechts gegenüber das Transformatorenhaus und Lokschuppen. | ||
Die Grundsteinlegung für den Bahnhof in Wüstewaltersdorf erfolgte am 5. April 1913, im Sommer stand das Gebäude schon, wie dem Text auf der Rückseite der Karte zu entnehmen ist. | ||
1913: der Bahnhof ist gerade fertiggestellt, die Gleise davor sind noch nicht verlegt. | ||
Auf dem Bahngelände, im Hintergrund der Bahnhof. Die Gleisanlagen werden verlegt. | ||
Im Herbst 1913 war ein Gleis bereits bis zum Bahnhof Wüstewaltersdorf fertiggestellt, es fehlten nur noch die Rangiergleise. Das Bahnhofsgebäude war bereits fertig und diente vorerst zu Bürozwecken. Die Arbeiten am Wagenschuppen und am Transformatorenhaus sollten wenig später beendet sein. |
||
Eine seltene Aufnahme des Baus der Gleise. Deutlich zu erkennen ist, dass der Untergrund zum Teil aufgeschüttet werden mußte. Die Gleise sind nur für eine Lorenbahn zum Materialtransport. | ||
1913: Erdarbeiten kurz vor dem Bahnhof in Wüstewaltersdorf, links im Hintergrund zu erkennen die schwarze Hänge. |
||
Die festliche Eröffnung der Strecke fand am 22. Juni 1914 statt: Nachdem Fabrikdirektor Wiesen die vom Regierungspräsidenten erteilte Eröffnungsurkunde verlesen hatte, verließ um 8.30 Uhr der erste Zug Hausdorf in Richtung Wüstewaltersdorf. | ||
Bericht über die Inbetriebnahme: "In eindrucksvoller Weise vollzog sich am 22.6.1914 die Eröffnung der Kleinbahn Hausdorf - Wüstewaltersdorf. Mit der Fahrt um 8.30 Uhr wurde die Bahn dem öffentlichen Verkehr übergeben; der Zug war hierzu mit Fähnchen und Laubgirlanden geschmückt. Vor Beginn der Fahrt verlas Fabrikdirektor Wiesen die vom Regierungspräsidenten erteilte |
||
Eröffnungsurkunde und wünschte der neu eröffneten Strecke regen Verkehr. Unter Hochrufen setzte sich der gut besetzte Zug in Bewegung, und überall während der Fahrt wurde er lebhaft begrüßt. Aus Anlaß dieses Ereignisses fand am darauffolgenden Sonnabend im Hotel Eule ein Festessen statt.“ | ||
Die Honoratioren des Dorfes vor dem ersten Zug; auf der Lok stehen: mit weissem Hut, Fabrikdirektor Ernst Websky, rechts daneben Fabrik-Teilhaber Hans Carl Wiesen |
||
Abfahrt des ersten Zuges |