Geschichten aus dem Eulengebirge:
Eulengebirge - Geschichten
Das Eulengebirge - Ein Beschreibung der Menschen und des Gebirges
von Wilhem Schremmer
n
klaren Tagen erhebt es sich in rötlichem Abendglanze für
die Odergegend, etwa für Breslau und Brieg. Als Mauer, auf
der grüne Wälder wachsen, riegelt es die Grafschaft mit
dem Reichensteiner Gebirge nach der Ebene ab. Es erhebt sich langsam
mit den Muttergottesbildern aus dem Warthapaß, wandelt aufwärts
zur Bergfeste Silberberg, zieht träumend in Einsamkeit und
Waldstille oben auf dem Kamme zur Hohen Eule und fällt staunend
und unverhofft in das Wasser des Weistritztales Hier setzt es kühn
noch eine Burg, die Kynsburg. auf einen Waldgipfel. Die Berge und
Hügel vor Schweidnitz sind die letzten, schon müden Ausläufer.
Mit der Grafschaft hat es bei Wartha und auf der Neuroder Seite
einige Verwandtschaft, ist aber sonst völlig von ihr geschieden,
besonders auch sprachlich. Der Glatzer ist verschlossen, der Eulengebirgler
verschwendet sich nach allen Seiten wie seine Gebirgsbäche.
Lieblich und frisch wie ein Naturkind ist das Eulengebirge. Sanft
sind seine Linien, voller Anmut die Täler. Im Winter bis ins
schöne Frühjahr hinein setzt sich die Hohe Eule freilich
eine weiße Haube auf, um zu zeigen, daß sie zu den "Alten"
gehört. Dann ist sie eine richtige alte Eule.
ränze von Vorbergen wirft sie in die Ebene, bis zum Zobten hinüber. Der steht als Wächter vor ihr und schaut, meist lächelnd, unausgesetzt in ihre Täler bei Reichenbach. Zwei kleinere Wächter hat er sogar noch neben sich gestellt. Denn in den Tälern wohnen unruhige, hitzige Geister. Originalkäuze, redegewandt, fleißig, zähe. begabt, die sogar die Berge hinauf rennen. Unter der Eule entbrannte einst, der Weber aufstand. Der Eulengebirgler ist buntblütig. Immer wiederdurchbricht er sich rauschend selber.
Vor und hinter der Eule raucht es aus hundert Essen. Da webt, da spinnt,
da färbt, raucht, spult die neue Zeit. Hier ist der Hauptsitz der
schlesischen Baumwollverarbeitung. Die Maschinen haben es gar zu toll
getrieben. Deshalb sind die Zwerge von Herrleinberge bei Langenbielau
nach dem Zobten gewandert. Die Löcher, in denen sie in den Berg fuhren,
die Bäume, von denen sie in die Gegend schauten, sind noch da. Jetzt
stehen staunend die Menschlein davor. Die gute alte Zeit. Etwa gut, weil
sie alt, das heißt weil sie vorbei ist? Die Handweber sind oft von
Hunger und Not gepackt worden.
In der blauen Dämmerung wandelst du auf dem Kamm von Silberberg,
wo Reuter gefangen saß bis zur Eule. Auf der einen Seite schaust
du die vielgestaltige schlesische Gebirgswelt, das durchwühlte, kuppenreiche
Waldenburger Kohlenland, auf der andern die belebte Ebene, die zur Oder
eilt.
überall rauchen, am Morgen und Abend, die Täler unter dir, blauen
in der Sonne, schlummern schwer im Winterschnee aus dem dann Menschen
mit meterlangen Holzfüßen zur Höhe kraxeln.
Unter dem Kammwanderer liegen die Häuser, die Bäume, die Wege.
die Felder, die Dörfer wie ein wunderliches Spielzeug. Mit ihnen
führt der Mensch ein unterhaltsames Nachbarleben. Die Stimmung manches
Landschaftsbildes ist so mächtig, daß du das Gefühl hast,
daß keine Kraft diesen starken Frieden stören kann. Verweht
liegt manches Gebirgsdörflein. An manchem Hause gehst du oben und
in den Tälern vorüber, das noch ein starkes Eigenleben führt.
Auf vielen Wegen, in so manchem Tal, fließen die heranrauschenden
Ströme der Einsamkeit. Der Atem der Heimat umweht dich überall.
Quelle: Text und Bild aus "Schlesische Gebirge", herausgegeben von Hanns Gieseler, Verlag A. Anton & Co, Leipzig, ca. 1925