Eulengebirge - Geschichten

Sagen aus dem Eulengebirge - Die wunderbare Buche

 


es gibt sie noch - Aufnahme vom Sommer 2004

ordöstlich von Rudolfswaldau, zwischen der Schirgenschenke und dem Planberge liegt der Buchberg in einer verlorenen Ecke, hart an der Grenze der Dorfgemarkung. Inmitten des von struppigem Heidekraut bestandenen Umlandes steht auf stürmischer Höhe einsam eine alte knorrige Buche. Ihr Stamm ist schon hohl, aber noch trotzt sie wacker den Zeiten als sagenumwobener Zeuge verklungener Tage. Die Rudolfswaldauer sehen sie als ein Wahrzeichen des Dorfes an und behaupten, der Baum im Gemeindesiegel sei ihr Abbild.
Als junges Stämmchen, so berichtet der Volksmund, wurde sie verkehrt in die Erde gepflanzt; aber sieh, das Wunder geschah: Die Krone in der Erde versorgt nun den Baum mit Nahrung, und lustig grünten die in ein neues Element gestellten Wurzeln; nur der knorrige Wuchs der Krone verrät noch heute ihre ursprüngliche Bestimmung. Diese Pflanzung soll in der Reformationszeit erfolgt sein, wie auch aus dem Weihspruch geschlossen werden könnte, den der Volksmund bis auf den heutigen Tag überliefert hat: "So wahr dieser Baum gedeihen, wachsen und viele Jahrhunderte überdauern wird, so wahr wird Luthers Lehre sich ausbreiten und alle kommenden Geschlechter überdauern!" -

 

Niemand legt die Axt an den Stamm. Vorzeiten versuchte man zwar einmal, sie umzusägen, aber Blut floß aus der Wunde, und als die Frevler nicht abließen, erhielten sie unversehens derartig starke Ohrfeigen, dass sie bestürzt ihr Werk nunmehr schleunigst aufgaben. -

 

ittags um die zwölfte Stunde schreitet langsam ein Mann um die Buche herum. Seinen Kopf fährt er in einem Schubkarren vor sich her. Wehe, wer ihm begegnet, mit unwiderstehlicher Gewalt packt er den Unglücklichen, wirft ihn zu seinem Kopf in den Karren und fährt in im Saus zum Dorfe, wo er den vor Angst und Grausen Halbtoten vor dessen Haustür abladet

Andere wollen wissen, dass um die Mitternachtsstunde ein finsterer Jäger auf einem Rappen dort durchs Revier reitet. Seinen Kopf trägt er unter dem Arm, das Pferd hält den seinen zwischen den Vorderbeinen. Ob er aber, wie einstens der wilde Jäger oder der Schimmelreiter, dem erstarrten Wanderer oder dem erschrockenen Grenzfrevler das Genick herumdreht und ihn ewig in der wilden Jagt mitreiten lässt, weiß unsere Sage nicht zu melden.

Vorzeiten - einige meinen im siebenjährigen Kriege - sollen sich Truppen auf jenen Höhen im Gefecht gegenübergestanden haben. Nach dem Treffen begruben die Bauern die Gefallenen an jenem verrufenen Orte. Man sagt, daß auch jetzt noch hin und wieder Überreste aus jenen Tagen gefunden worden seien. Die alten Kämpfer hätten auch jetzt im Grabe noch keine Ruhe. Wenn von den Kirchtürmen der umliegenden Dorfern die Mitternachtsstunde verkündet wird, ertönt leise kriegerische Musik aus der Erde, die Gräber entlassen die Geister der längst Verendeten und aufs neue treten sie in Reih und Glied, um den Feind zu bezwingen. Erst Schlag 1 Uhr verschwindet der Spuk, und nur der Wind streicht wieder über raschelndes Laub.

An warmen Sonnentagen aber, wenn ringsum Mittag die Grillen zirpen und flimmerndes Sonnenlicht über den weiten wogenden Feldern liegt, ertönt um die 12. Stunde eine wunderliche Harfenmusik von der alten Buche herab, wie sie früher nie gehört wurde. Früher, so sagt man, hätten die Hirten vor Freuden ringsum auf den Weiden zu dieser Musik getanzt.

Vielleicht, dass auch heute noch ein Wanderer sie vernimmt, der, dort rastend, traumverloren hinausschaut ins weite heimatliche Schlesierland.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellen: Text aus: Prof. Dr. Kühnau "Schlesische Sagen", Teuber -Verlag Leipzig, 1900;
Photos Sommer 2004 von Wolfgang Leistritz