3. Kriegszeit - weitere Berichte
Bericht eines Zeitzeugen aus Zedlitzheide:
>>Im Silberloch wurde ein Wasserwerk von einer Kolonne Häftlingen
gebaut. Täglich konnte man den Elendszug durch das Dorf ziehen sehen.
Im Winter waren sie auf dem Thielteich in Zedlitzheide und sägten
Eis. Wir Kinder gingen oft zum Schlittschuhlaufen auf den Teich und hatten
gekochte Kartoffeln in den Taschen, die wir ihnen zusteckten. Man wusste
nie, ob es von einem Wachposten bemerkt wurde, doch mit der Zeit kannten
wir die Posten und es gab doch viele unter ihnen, die wegschauten. So
mancher Dorfbewohner hatte Mitleid mit den Häftlingen und wartete
einen günstigen Moment ab, um ihnen etwas Essbares zuzustecken.<<
Eine Zeitzeugin weiß von ihren Eltern zu berichten, dass auf der Willnerkoppe-Uhlenberg-Richtung Jauernig ein Zelt-Beton-Lager für Juden und Kriegsgefangene war. Das Waisenhaus gleich neben dem Haus, wo sie wohnten, war das Krankenhaus für die Gefangenen. Auf der Waisenhausseite hatte ihre Familie den Hasenstall. Beim Füttern standen bettelnd die Gefangenen am Zaun und ihre Mutter "vergaß" dann einen Futternapf mit gekochten Kartoffeln, so in der Nähe des Zaunes, so dass die Gefangenen die Kartoffeln angeln konnten. Es wurde beobachtet und ihre Mutter verwarnt, sie musste den Stall wegschaffen und wäre bald selber ins KZ gekommen.
Ein Zeitzeuge aus Jauernig zum Stollenbau:
>>1944 führte die O.T. große Sprengungen durch. Eine
Schmalspurbahn führte vom O.T. -Bahnhof Erlenbusch über die
Felder von Oberhausdorf-Jauernig nach dem Wolfsberg. Das ganze Gebiet
war Sperrgebiet. Fünf große Bunker entstanden, die 2-etagig
waren und eine Länge von ca. 100 m hatten und mehr. Der Wolfsberg
war hell erleuchtet wie der Wiener Prater. Sprengungen wurden vorgenommen
Tag und Nacht. Die Arbeiten führten Juden aus. Untergebracht waren
sie in Finnenzelten unterhalb des Stenzels und am Fuße des Wolfsberges.
Viele sind dabei zu Grunde gegangen. Kurz vor dem Zusammenbruch wurden
sie abgetrieben. Trotz Verbot und hoher Strafe hat die Bevölkerung
versucht, die Qualen und Leiden zu lindem.<<
Bericht aus meiner Familie:
>>Der Schrecken des Krieges wurde für meine Großeltern
deutlich, als ihre ältester Sohn Heinz am 5. April 1943 in Russland
gefallen war. Es war der Tag der Konfirmation meines Vaters. - Die Nachricht
kam ein paar Tage später. Im Gottesdienst am darauf folgenden Sonntag
wurde des Gefallenen gedacht, mein Großvater brachte ein Kranz mit
Trauerflor und Namen während des Gottesdienstes an den Altar. Nach
der Feier wurde der Kranz im Vorraum der Kirche aufgehängt, zu denen
der anderen schon Gefallenen. - So wurde für jeden der Gefallenen
in Wüstewaltersdorf ein Gedenkgottesdienst ausgerichtet.
Meine Tante berichtete mir auch von den russischen Kriegsgefangenen, die
in der Oberweberei untergebracht waren. - Die Gefangenen mussten in den
Bergen (Richtung Wolfsberg) arbeiten. Dazu marschierten sie vom Dorf morgens
hin, abends zurück. Dieser Weg ging damals hinter der Schule den
Berg hinauf durch Wiesen am Peiskert-Haus vorbei. Die Bewohner des Hauses
wie auch meine Großmutter versteckten am Rand der Wiese Essbares,
aber wissen durfte das natürlich niemand. Die Strafe dafür wäre
sehr hart gewesen.
Mein Großvater musste auf dem Weg von und zur Arbeit in der Fabrik
an der Stelle für die Essenausgabe der russischen Gefangenen vorbei.
Sie standen in langen Schlangen vor einem großen Bottich, aus dem
ein Aufseher Suppe in ihre Blechnäpfe schöpfte. Eines Tages
beobachtete mein Großvater, wie der Aufseher nur die dünne
"Brühe" von der Oberfläche des Bottichs verteilte.
Wütend ging er zum Aufseher, nahm ihm den Schöpflöffel
weg und meinte, "Wer arbeitet, soll auch ordentlich zu Essen bekommen",
der Aufseher solle die Suppe ordentlich auch vom Grund des Bottichs verteilen
(dort war eben die "Suppeneinlage"). - Die Familie hatte nach
diesem Vorfall tagelang Angst, dass mein Großvater abholt würde.
Aber: jedes mal wenn mein Großvater wieder an der Essenausgabe vorbei
kam, sah er, dass ordentlich "geschöpft" wurde (zumindest
soweit er es beurteilen konnte).
Auch von einem tragischen Vorfall wusste meine Tante zu berichten: Die
Kriegsgefangenen saßen Abends immer an den Fenstern im 1. Stockwerk
der Oberweberei und sangen wehmütige, russische Volkslieder. Die
Oberweberei der Fabrik lag an der Strasse nach Dorfbach, das Gelände
wurde zur Strasse mit einem hohen Eisenzaum abgegrenzt. Eines Abends hat
sich einer der Gefangenen, vermutlich aus Schwermut, aus dem Fenster in
den Eisenzaun gestürzt. Danach hat meine Tante sie nicht mehr abends
singen gehört. <<