Brauchtum & Geschichten - Leinwandmangel

Die alte Leinwand-Wassermangel  in Wüstewaltersdorf.


Text (gekürzt) von Erich Weijand.

 

>> Einst ein stattlicher Fachwerkbau. Heute gealtert  muß man die alte Wassermangel von der Vergangenheit her sehen und in das Dorfbild stellen. [...]


 Häuser mit weißen Wänden, gedunkeltem Gebälk, grauen Dächern und Spitzen Giebeln erzählen von alten  Bauerngeschlechtern und reichen Kaufmannsfamilien, aus einer Zeit da unter  Friedrich dem Großen Wüstewaltersdorf zu einem bedeutenden Marktort schlesischer Leinewand emporwuchs.

Da begegnen wir auch der ehemaligen Hofemühle noch aus österreichischer Zeit und der alten friderizianischen Erb-, Hof- und Waffenschmiede, der alten Fleischerei mit Emporstübel und 500jähriger Linde und dem Scholtisei-Freihaus, dessen Besitzer 1691 die Kramgerechtigkeit vom Dominium für jährlich 5 Taler schles. erwarb. Neben dem Leinwandkaufhaus, das 1779 erbaut wurde und in dem die Weber bis 1839 den Leinwand- und Garnmarkt abhielten, steht die Leinwand-Wassermangel.
Sie ist ein Stück des alten Wüstewaltersdorf.

 

Nach dem 2. Schlesischen Kriege erlebte der Leinwandhandel einen bedeutenden Aufschwung. Pastor Jeremias Scholtz (1) sprach von guter  Nahrung im Lande „wegen des blühenden Handels und der Weberey". So stieg die .Zahl der Webstühle in der Herrschaft Wüstewaltersdorf in den Jahren  1750-1756 von 43 beständigen und 136 unbeständigen (zusammen 179) auf 53 beständige und 234 unbeständige (zusammen 287), und auf den drei  Bleichen des Dorfes wurden jeweils 3000, 1200 und 1200 Schock (2) Ware aufgelegt. Der  Wüstewaltersdorfer Grundherr Heinrich Wilhelm von Zedlitz verstand die Zeit und baute von 1753 bis 1757 die Leinwand-Wassermangel.



Dr. Richard Gottwald berichtet in seiner Chronik „Das alte  Wüstewaltersdorf, ein Beitrag zur Geschichte des Eulengebirges": ,,Der Bau ist  für den Handel ein wichtiges Ereignis und hat auch seine Vorgeschichte. Hier stieß nämlich der Dorfadlige des 18. Jahrhunderts auch auf eine städtische Gerechtsame. Der Magistrat von Schweidnitz, dem diese Anlage gegen die  Handwerksurbarien-Regulierung im Fürstentum Schweidnitz vom Jahre  1645 und 1694 geschaffen zu sein schien, erhob Einspruch gegen Errichtung  dieses neuen Werkes und hatte damit auch zunächst Erfolg. Der Grundherr  wandte sich aber an den König mit der Bitte, ihm die Konzession gegen  Erlegung von 150 Rtl. zu erteilen. Bei Untersuchung der Sachlage stellte sich  heraus, daß Wüstewaltersdorf nicht unter dem Meilenrecht der Stadt  Schweidnitz lag. Und da Friedrich der. Große die Bedeutung der Mangel  für den Leinwandhandel erkannte, erteilte er am 14. März 1757 die in  Dresden eigenhändig unterschriebene Konzession." Die Leinwandkaufleute kamen immer mehr und mehr zu Wohlstand und Ansehen, und der blühende  Handel trug die Kultur des Dorfes. 1779 wurde vom Dominium das  Lein wandkaufhaus erbaut, worin die Leinwandkaufleute und Garnhändler sich ihre Stände mieteten. 1782 lieferte die Mangel 16.000 Schock Leinewand,  1783 sogar 20.100 Schock, ja die Kaufleute mußten viel Leinwand ins  Glätzische oder nach Hausdorf zur Mangel schicken, so daß sie die Absicht hatten, eine zweite Mangel im Orte zu errichten. 1806 wurde sie gebaut und  mit einem Hänge- und Stärkehaus vereinigt."


Friedrich der Große, der den schlesischen Leinwandhandel mit allen  Mitteln förderte, besuchte 1780 auf einer seiner Revuereisen auch Wüstewaltersdorf  Der alte Fritz, der lieber in einfachen Häusern wohnte als bei Grafen  und Fürsten auf Burgen und Schlössern, soll damals in der alten Mangel  übernachtet haben. Die Chronik erzählt sogar, daß er seinen Namen in eine  Fensterscheibe eingeritzt hat und daß ein Satz Gläser mit dem königlichen  Wappen zurückgeblieben war, und auch die Sage hat dieses Ereignis umsponnen. Als der König in der Mangel schlief, wurde gegen alle Vermutung frühzeitig die Mangel in Betrieb gesetzt. Das Wasser setzte das große Schaufelrad in Bewegung. Die eisernen Ketten klirrten, klammerten sich um  die große Welle und brachten den gewaltigen, 200 Zentner schweren Mangelkasten ins Gleiten. Das Haus erzitterte unter der Wucht. Der bejahrte König, plötzlich auf dem Schlaf gerissen, sprang aus dem Bett. Wohl ein Unglück oder einen Ueberfall vermutend, fiel er hilfesuchend seinem Kammerdiener um den Hals. [...] <<

 


 
Die alte Leinwandmangel 1930 vor dem Umbau, zu der Zeit Boer-Mangel genannt, weil sie im Besitz der Kaufmannsfamilie Boer war. (Quelle Fotos:dolny-slask.org.pl)


 

Das Gebäude nach dem Umbau, Foto von 1935

das unteres Stockwerk wurde für ein Lebensmittelgeschäft genutzt
(Foto zur Verfügung gestellt von H. Scholz)

 

Zur Funktionsweise der Leinwandmangel:

Die Leinwandmangel war eine sogenannte Kastenmangel und wurde von einem Wasserrad angetrieben. über Wellen, Kammräder und Getriebe wir ein Mangelkasten vorwärts und rückwärst bewegt. Dieser war mit Felssteinen gefüllt und hatte ein Gewicht von ca. 700 Zentnern.


Das gewebte und gebleichte Leinen wurde als sogenanntes Stückgut (ca. 50 m lange Stoffbahnen) erst von Hand mit Wasser besprengt und über Nacht gelagert. Am nächsten Tag wurde es im Wickelstuhl aufgerollt und dann gemangelt. 
Dabei wurden die Rollen unter den Mangelkasten gelegt, dieser abgesenkt und dann mehrfach über die Rollen bewegt. (3)

 

(1) Jeremias Scholz: erster Pastor in Wüstewaltersdorf von 1742-1762

(2) Altes Zählmass: 1 Schock = 5 Dutzend = 60 Stück
(3) aus "Briefe über Schlesien", J. Zöllner, 1793 und www.kastenmangel.de

Quelle: Text und Grafik der Mangel aus "Schlesischer Bergland Kalender", 1930
Grafik Leinwandhaus aus "Das alte Wüstewaltersdorf" von Dr. R. Gottwald