Brauchtum & Geschichten - Unwetter in Zedlitzheide

Die Zeitung "Neues Tageblatt" in Waldenburg berichtet am 27. Mai 1935:

 

>>Unwetterkatastrophe im Eulengebirge
Ein Wolkenbruch ging nieder, von dem Neugericht. Wüstewaltersdorf, Zedlitzheide, Friedersdorf, Heinrichau und Mühlbach betroffen wurden.

 

Stätten der Not

Seit Jahrzehnten ist das Eulengebirge nicht von einer derartigen Unwetterkatastrophe heimgesucht worden, wie am Sonnabendnachmittag. Gegen 16.45 Uhr erfolgte plötzlich ein starker Donnerschlag, bei dem gar manchem Wüstewaltersdorfer Einwohner Hören und Sehen verging, und gleich darauf ging ein Wolkenbruch nieder, der in dem betroffenen Gebiet, das die Ortschaften Neugericht, Wüstewaltersdorf, Zedlitzheide, Friedersdorf, Heinrichau und Mühlbach umfaßt, unübersehbaren Schaden angerichtet hat. Im Verlauf von nur einer knappen Stunde wurde der durch Wüstewaltersdorf und Neugericht fließende Dorfbach und der durch Heinrichau und das Mühlbachtal führende Mühlbach zu reißenden, bis 15 Meter breiten Flüssen, und sonst harmlose Bächlein, wie z. B. das in Zedlitzheide von der Höhe herabkommende, das sich jetzt teilweise ein ganz neues Bett gepflügt hat, zu wildschäumenden Gewässern, die alles mit fortrissen, was sich ihnen hindernd in den Weg stellte. Die Riesenwassermassen, die hauptsächlich in dem Gebiet zwischen der Siebenkurfürstenbaude und Zedlitzheide einerseits und Heinrichau andererseits niedergingen, wälzten sich in Form von Sturzbächen über Äcker und Bergwiesen zu Tale. .....

 


Unwetter 1935: Boer-Gut

Tapfere Wehrmänner

Als in Wüstewaltersdorf das Wasser kam, der Dorfbach dort, wo er in Steinmauern gezwängt ist, plötzlich 2,5 Meter stieg, aber nicht durchlief, und die vom Himmel und von den Bergen herabstürzenden Wassermassen die Hauptstraße überfluteten, wurden die Freiwillige Feuerwehr und die Fabrikfeuerwehr der Fa. Websky, Hartmann & Wiesen AG alarmiert, die mit Hilfe der Motorspritze Keller auspumpten, aber vor allem in der Wirtschaft Böer, dem sogenannten Rösnergut, rettend eingriffen, die aufs höchste gefährdet war. Hier waren die Wassermassen durch die hintere Tür der Scheune, durch diese selbst und über den Hof in die Ställe und das Wohngebäude eingedrungen. Bis fast zur Brust im Wasser stehend, bargen tapfere Männer von der Freiwilligen Feuerwehr die Kühe, brachten die Schweine, die entweder schwammen oder getragen werden mußten, in Sicherheit und retteten einen Knaben aus der Stube, in der das Wasser einen Meter hoch stand, vor dem Tode des Ertrinkens. Die ganze Nacht hindurch bis Sonntag früh um 3.30 Uhr hatte die Feuerwehr zu tun, bevor Keller und Wohnung vom Wasser befreit waren. ........

 

Kartoffel- und Rübenfelder vernichtet

Im Garten des Gasthofes "Zur hohen Eule" liegen überall verstreut Kartoffeln, die aus dem Acker oben am Hange stammen. Die quer gezogenen Furchen, die von tiefen Gräben durchschnitten sind, die das Wasser gerissen hat, sind nicht mehr als solche zu erkennen. Von 30 Zentnern Kartoffeln, die ein Bauer auf einem Feld von 8 Morgen gelegt hat, ist keine einzige an ihrer Stelle geblieben . ......

 

Ein Schießstand ist zerstört

Von Wilhelmstal sind die Wassermassen herabgestürzt. In dieser Kolonie sieht es böse aus. An der Dorfstraße türmen sich zwischen Geröll und entwurzelten Bäumen Felsblöcke, das Fundament des Gasthauses Herfort ist an einer Ecke unterspült und ein Teil des Zaunes fortgerissen. Ein Stück weiter hinauf sieht man tiefe Löcher im Erdreich. Noch immer fließt das Wasser zu Tale. Die Treppe, die zum Hause von Max Nitschke führte, ist völlig verschwunden, an ihrer Stelle gähnt ein tiefes Wasserloch. Den Garten, durch den sich der Graben einen neuen Lauf gebahnt hat, bedeckt eine Schlammschicht. Weiter oben an der Straße ein Haufen elender Bretter, die Reste des völlig zerstörten Schießstandes der Jungschützen.

 


Unwetter 1935: Zedlitzheide,
Friedhofsgasse

In Zedlitzheide am schlimmsten

Nun hinauf nach Zedlitzheide, das von dem Wolkenbruch am schlimmsten heimgesucht worden ist, auf der Straße, die bei dem Textilwerk Websky, Hartmann & Wiesen AG. vorbeiführt. Auf ihr flutete am Sonnabend das Wasser hinab und brachte Bretter, Bohlen, Hausgeräte und Lebensmittel aus Zedlitzheide mit. Bei dem Hause von Kaufmann Meißner, in dessen Kellern durch Überschwemmung viele Waren verdorben wurden, geht links der Weg ab, der zur Birkenfeldbaude hinaufführt. Er besteht nicht mehr, an seine Stelle ist ein Bach getreten, in dem, wild verstreut, Felsblöcke und Geröll liegen. Lange Teile der Wasserleitung ragen frei in der Luft, denn das Erdreich, in das sie gebettet waren, ist fortgeschwemmt. Der Damm des Fischteiches neben der Baude ist in einer Breite von 5 bis 6 Metern und einer Tiefe von etwa 3 Metern während des Unwetters gebrochen, und die ihm entströmenden Wassermassen haben zusammen mit dem gleichzeitigen Wolkenbruch geradezu verheerend gewirkt.
Die Giebelwand des Häuschens der Witfrau Werner in Eckartsberg wurde eingedrückt, und durch ein riesiges Loch sieht man ein Chaos von durchweichten oder schlammbedeckten Betten, Schränken, Stühlen, Tischen und Sofa. Alles ist durcheinandergewürfelt und für immer verloren! Das gleiche Schicksal widerfuhr den Ställen von Hahn, die weggerissen und fortgeschwemmt wurden. Die Einwohner von Zedlitzheide haben schwer unter dem Wasser gelitten. <<

 


Unwetter 1935: Text war auf der
Rückseite der Karten zulesen

Artikel gekürzt, hier kann er in in voller Länge gelesenen werden.

 

Die oben gezeigten Abbildungen sind "Opferpostkarten", mit deren Kauf gespendet werden konnte, siehe Abb. rechts: der Text war auf der Rückseite der Karten zulesen.

 

 

 

 

 


Das Haus meiner Urgrossmutter in Zedlitzheide war von diesem Unglück ebenfalls betroffen, lag es doch genau auf dem Weg, den das Wasser von der Birkenfeldbaude in das Tal nahm. Gerade noch rechtzeitig konnten von ihr die Enkel, mein Vater und meine Tante, in Sicherheit gebracht werden. Welch ein Glück, fand sich doch danach im Kinderbett meiner Tante ein grosser Felsbrocken. - Bilder der Verwüstung sind noch erhalten:

 

 

 

 

 

 


Unwetter 1935: Garten im Renner-Haus

 

 

Quelle: Bilder eigene, Postkarten und Kopie des Artikels Wüstewaltersdorfer Heimatbote